Wie wird Weißwein gemacht?
Willi Schedlmayer | 23. Juli 2010Wie jeder gute Wein wird Weißwein aus reifen Trauben gemacht – allermeist aus einer “weißen” Rebsorte, die also keine dunkle Beerenhaut hat, wie die von Rotweinsorten, sondern eine grün-gelbliche, manchmal ockerfarbene, selten sogar kupferfarbene.
Wenn Weißwein aus Rotweinsorten gemacht wird, dann so, dass die Trauben so rasch entrappt und gepresst werden, dass von den dunklen Schalen keine Farbe in den Saft kommt.
Die reifen Trauben kommen also vom Weinberg in den Keller, werden meistens völlig entrappt (Entfernen der Stiele) und angequetscht (oder “gemahlen”) kurz stehen gelassen.
Schnittstelle: Zugabe von Schwefeldioxyd
Bereits die Traubenmasse (Maische) wird im Allgemeinen mit Schwefeldioxyd versetzt, um eine zu starke Oxydation zu verhindern. Die Schwefelmenge ist entscheidend für die weiteren Möglichkeiten. Nur schwach geschwefelte Traubenmasse kann spontan vergären! Zu beachten ist auch, dass es Winzer gibt, denen sehr gute Weißweine ohne jeden Schwefelzusatz während der ganzen Vinifikation gelingen.
Schnittstelle: Maischestandzeit
Manchmal ist eine längere Maischestandszeit ein Mittel um extraktreichere Weine zu produzieren (um in dieser Zeit die Oxydation zu minimieren und die Gärung aufzuschieben, geschieht das gegebenenfalls bei niedrigen Temperaturen zwischen 4 und 8 Grad), normalerweise aber wird die Traubenmasse bald gepresst. Dabei wird Druck ausgeübt und über eine Art Sieb eine Separation erreicht: Schalen, Kerne und gröbere Trubstoffe werden abgetrennt – der feste Rückstand heißt Trester, der gewonne Most ist die Grundlage für den Wein. Wenn der Druck nur durch das Eigengewicht der Masse entsteht, spricht man von Seihmost (kein zusätzlicher Pressdruck).
Nun klärt der Most durch Schwerkraft – unten sammeln sich feste und schleimige Bestandteile (diese Mostseparation – oder französisch débourbage – kann auch durch Zentrifugieren erreicht werden) – der klarere obere Teil kann abgezogen (oder “abgestochen”) werden. Die Entschleimung wird auch gerne durch Schönungsmittel beschleunigt (Bentonit), Gelatine wird zugesetzt (um die Tannine zu mildern).
Schnittstelle: Zuckerung der Maische oder des Mostes.
Gut österreichisch heißt es “Aufbesserung” - sprich: aus einem minderwertigen Material wird ein besseres gemacht. Oder: “der Natur ein bisserl nachhelfen” .. die Maische- bzw. Mostzuckerung ist im Wesentlichen eine Begleiterscheinung der industiellen Zuckerproduktion, vorher war Zucker einfach zu kostbar. In Frankreich war es ab 1799 Jean-Antoine Chaptal, der mit seiner “doctrine” über die Weinbereitung den Winzern den Weg wies .. und so heißt es heute auch einfach: Chaptalisation. Durch die Zuckerzugabe wird der Gärungsprozess im Most begünstigt – die Gärung verläuft intensiver, das Produkt hat letzlich mehr Alkohol. Man muss die Chaptalisation nicht verteufeln, kann aber jedenfalls feststellen, dass die allerbesten stillen Weißweine ohne Mostzuckerung entstehen. In vielen Weinregionen ist Maische- bzw. Mostzuckerung verboten (Südfrankreich, Italien) in den nördlicheren Weinregionen eher üblich (z. B. in der Champagne).
Schnittstelle: Hefezugabe
Wenn dem Traubenmaterial nicht zu viel Schwefeldioxyd zugefügt wird, beginnt es (abhängig auch von der Temperatur) von selbst zu gären, weil vom Weinberg natürliche Hefen mitgebracht werden. Diesen Vorgang nennt man Spontangärung. Industrielle Weinbereitung versucht jedoch die Spontangärung nach Möglichkeit zu unterbinden: also vorher schon ordentlich abschwefeln – und dann, bei ständiger Temperaturkontrolle, Zuchthefen zusetzen, um den Gärprozess in Gang zu bringen. Zuchthefen werden heute gerne ausgewählt, um “sortentypische” Geschmacksnoten zu erzeugen (es gibt einen weltweiten praktischen Versandhandel) – so entsteht globalisierter “Chardonnay” etc. Es gibt kein allgemeines Rezept, aber ein authentischer Wein wird nur mit bodenständigen Hefen – entweder durch Spontangärung, oder durch gezielte Hefevermehrung aus dem eigenen Weingarten.
Nun gärt der Most also – der alchymische Prozess ist eine Phase höchster Lebendigkeit, die Hefen vermehren sich und “arbeiten” (sie leben einfach: ernähren sich vom Zucker und scheiden Alkohol aus). Die Zuckermenge im Most setzt der Gärung eine Grenze – wenn aller Zucker vergoren ist, sagt man, der Most ist durchgegoren. Balanciert wird die Gärphase aber auch vom Ausscheidungsprodukt Alkohol und der Temperatur. Wenn der Alkohol etwa 15 Prozent erreicht, sterben die Hefen an diesem Gift, die Gärung hört auf – wenn die Temperatur abgesenkt wird, kommt die Gärung zur Ruhe. Durch die Temperaturführung während der Gärung wird auch die Aromenbildung beeinflusst.
Schnittstelle: Batonnage
Nach der alkohlischen Gärung sinken abgestorbene Hefen ab. Werden diese Heferückstände aufgerührt, fördert das ihre Selbstzerstörung (Autolyse genannt) – auch dabei werden Aromen frei. Das Hefeaufrühren wird batonnage genannt (franz.) – der Wein wird dadurch cremiger, voller.
Schnittstelle: biologischer Säureabbau
Nach der Alkoholischen Gärung tritt auch beim Weißwein unter Umständen spontan ein biologischer Säureabbau auf – oder er wird, wenn erwünscht, künstlich initiiert: durch Milchsäurebakterien kommt es zur Umwandlung von Apfelsäure in Milchsäure. Auch dabei kommen weitere Aromen in den Wein und er wird milder. Wo von Natur aus wenig Säure vorhanden ist, wird der der biologische Säureabbau eher verhindert – in Burgund ist er üblich. Es gibt jedoch auch Weltgegenden, in denen die Winzer stolz auf ihre sauren Weine sind.
Nach Abschluss der Gärung sinken die Hefen zu Boden – der junge Wein wird von diesem Geläger getrennt (“abgezogen” – in einen anderen Behälter geleitet oder gepumpt). Nun beginnt der eigentliche Ausbau, die Reifung des Weines. Immer noch schweben Feinhefen im Wein, die vorhandene Eiweiße abbauen, es fällt Weinstein (Salze der Weinsäure) kristallin aus – und langsam klärt der Wein von selbst.
Schnittstelle: Schönung, Stabilisierung, Filtration
Gerade beim Weißwein ist jedes Umfüllen auch mit dem Risiko einer unerwünschten Oxydation verbunden. Auch soll es manchmal schneller gehen – und so wird geschönt und gefiltert. Beim Schönen werden Bindemittel in dien Wein gegeben, die Trubstoffe binden – traditionell ist aufgeschlagenes Eiweiß, Hausenblase oder Gelatine. Zusätzlich sollen Proteine, die später zu einer Trübung führen könnten, ausgefällt werden – der Wein wird u.a. mit Bentonit behandelt. Noch einfacher machen es Filter: mit feinen Filtern kann Wein steril gefiltert werden. Er ist dann “sauber” – aber auch endgültig uninteressant für den Weinliebhaber.
Alle Winzer wiederholen es immer wieder: Der Wein entsteht primär im Weingarten. Wer hochwertiges Traubengut hat, wer den optimalen Reifepunkt erwischt, wenn das Wetter den richtigen Lesezeitpunkt zuläßt – dann kann im Keller Wein durch minimale Eingriffe entstehen.
- Ich kenne Winzer, die Arbeiten ohne Pumpe – nur mit der Schwerkraft.
- Ich habe Weine, die vollständig ohne Schwefelzugabe enstehen und abgefüllt werden.
- Viele meiner Weine werden gar nicht gefiltert und nicht geschönt.
Schnittstelle: neues Holzfass
Die Vergärung und der Ausbau im kleinen Holzfass (in der Gascogne und in Bordeaux traditionell Barrique genannt, in Burgund Pièce) verändert seinen Charakter stark, vor allem, wenn das Fass neu ist, denn das Eichenholz (oder gegebenenfalls Akazien- oder Kastanienholz) gibt Gerbstoffe und eine Vielzahl an Aromenstoffe an den Wein ab und fördert eine leichte Oxydation.
Wie kommt es zu den Röstnoten? Das Fass wird beim Fassbinden über ein kleines Feuer gestellt, um die Fassdauben in ihre Form zu bringen – später wird das bereits gebundene aber noch nicht verschlossene Fass noch einmal von innen “geröstet” um dem Holz die gewünschte Aromenintensität zu geben. Für Weißwein wird eher weniger stark geröstetes Holz verwendet.
Ein neues Fass gibt viel Aromen ab – darum werden Weine aus gebrauchten und neuen Fässern miteinander verschnitten. Gebräuchlich ist auch, den Most für die alkoholische Gärung in Tanks zu füllen und dann erst für den weiteren Ausbau in Barriques umzuziehen.
Nicht nur die Übermittlung der Aromen von Holz und Röstung werden nach zwei bis drei Jahren deutlich weniger, auch die Odydation ist vermindert, weil die Holzporen mit Weinstein versiegelt werden – die eigentlichen Effekte des Barriques sind verloren. Das Fass kann erneuert werden, indem man die Bindung öffnet, die Dauben reinigt und nachhobelt, dann wieder bindet und noch einmal röstet.
Billiger ist die Verwendung von Eichenchips: der Wein wird im großen Stahltank ausdgebaut und zur Aromatisierung werden Eichenspäne beigegeben. Seit 2006 ist auch das in der EU erlaubt.
Schnittstelle: Zeit
Statt den guten Wein zu suchen, wird Wein zuweilen so rasch als möglich “fertig” gemacht, verkauft und getrunken. Ein Weißwein, der im September gelesen und im November verkauft wird, heißt bei uns neuerdings “Junker” oder “Junger Wiener” oder einfach Jungwein – der jahreszeitliche Zirkus orientiert sich am Beaujolais nouveau. Für diesen Jungwein gilt, dass er ohne Zurichtung auch nicht fertig wird. Sepezielle Zuchthefen, Schönung und Filtrierung sind hier selbstverständlich.
Dem gegenüber steht Wein, dessen Werden seine Zeit hat. Der richtige Lesezeitpunkt – eigenartiger Zusammenfall von Tod und Geburt. Die Frucht wird abgeschnitten – das Material für Wein wird gewonnen. Für Stohwein wird die nichtentrappte Traube auf Strohmatten liegend getrocknet, um die Zuckerkonzentration in den Beeren zu erhöhen – in diesem Fall werden also die weiteren Weinbereitungsschritte aufgeschoben. Sonst ist es jedoch günstig, die Kraft der reifen geernteten Frucht sofort in die Transformation zu überführen: also so bald als möglich nach der Ernte zu pressen. Die spontane Zeitlichkeit ist dann vor allem eine Frage der Temperatur – und diese hängt vom Klima und der Beschaffenheit des Kellers ab. Für gewöhnlich ist die alkoholische Gärung aber vor Weihnachten abgeschlossen. Anders vehält es sich mit der malolaktischen Gärung. Deren Verlauf kann sich, soweit nicht durch Temperaturerhöhung nachgeholfen wird, auch übers Jahr verzögern. Und so ist es in vielen Weinregionen üblich, dass die besten Weine erst 1-2 Jahre nach der Lese in die Flasche kommen. Weine, die Zeit beim Ausbau haben, entwickeln sich erfahrungsgeäß langsamer. Aber noch einmal zurück zur Hektik des Jungweins.
Der Jungwein kommt normalerweise im November, also wenige Wochen nach der Ernte, auf den Markt – und sollte bis zum Frühjahr getrunken sein (oder noch besser: bis zum Aschermittwoch).
Weine, die in den ersten vier bis fünf Monaten des Jahres abgefüllt werden, sind solange beliebt, bis dann der neue Wein da ist (also ein Jahr). Hier kehrt das alte Muster wieder – Altwein hat man den Wein des Vorjahres genannt, wenn der neue bereits fertig war. Und so ist der Markt auch heute: wenn der neue Jahrgang verfügbar ist, wird der alte Abverkauft. Solche Weine sind aber durchaus auch lagerfähig und entwickeln nach einem Jahr auf der Flasche dann zunehmend Reifearomen, die viel Freude machen können.
Weine, die erst in der Jahresmitte oder im Herbst abgefüllt werden, sind meistens für eine längere Lagerung bestimmt. Oft sind sie im ersten Jahr nach der Ernte noch nicht voll entwickelt – manchmal brauchen sie viele Jahre, bis sie zeigen, was sie können.
Noch einmal komplizierter verhält es sich mit Süßwein, der seine Jugendlichkeit länger bewahrt und dann oft extrem lange reifen kann (über Jahrzehnte, manchmal viele Jahrzehnte).