Wie wird Rotwein gemacht?
Willi Schedlmayer | 5. Oktober 2010Rotwein wird aus reifen Trauben gemacht, die eine dunkle Beerenhaut haben – typisch ist ein Blauschimmer und eine Färbung, die ins Indigo geht, also sehr dunkel sein kann. Rot wird der Wein, wenn sein Most über mehrer Stunden (manchmal aber auch über mehrere Wochen) in Kontakt mit diesen farbkräftigen Schalen bleibt (wenn hingegen schnell abgepresst wird, kann man aus dunklen Trauben auch Weißwein machen).
Schnittstelle: Entrappung – oder “Maceration carbonique”
Entrappung ist aber nicht der einzige Weg - ist es nicht herrlich: Weltweit wird Wein mehr und mehr maschinell geerntet, hat sich die Hochkultur in der Reben-Erziehung durchgesetzt, wird nach der Ernte fleissig entrappt .. im Beaujolais aber hat sich eine ganz andere Tradition gehalten. Stockkultur, (die Rebe hat nur einen Stock, an dem sie sich hochranken kann), manuelle Ernte – und dann: ein ganz eigenständiger Umgang mit der Traube im Keller. Entscheidend ist hier, dass die Trauben sehr schonend geerntet werden und daher unverletzt in den Keller kommen – darum händische Ernte.
Es ist aber noch ein bissl komplizierter, denn wenn die Trauben “carbonisch” vergoren weden, sollte vorher schon gärender Most im Gärtank sein, damit das Kohlendioxyd der Maische eine zu starke Oxydation der ganzen Trauben, die zugegeben werden, verhindert. Es wird also vor der eigentlichen Ernte bereits ein Teil der Trauben (ca 10%) geerntet und entrappt und gequetscht, damit schnell eine Gärung in Gang kommt – diese Maische bildet die Grundmasse, auf die dann die nichtentrappten Beeren der eigentlichen Lese geworfen werden. Wenn langsam und sukkzessiv gearbeitet wird, kann später dann das Kohlendioxyd des ersten Gärbehälters in einen zweiten Gärbehälter geleitet werden, um dort die Traubenmasse zu schützen.
Unter dem Druck der angehäuften Trauben beginnt der Saft zu fließen – immer aber im Schutz des Gases im Gärbehälter. Bevor die alkoholische Gärung noch zu Ende ist, wird der Saft bereits abgezogen. Dieser Seihmost kann von fabelhafter Qualität sein – hoch im Zuckerwert (und damit an potentiellem Alkohol), mit geringem Säureanteil, farbig und feinduftig. Aus Kostengründen wird aber auch der Rest der Masse schonend gepresst – in diesem Most ist dann mehr Säure und Tannin enthalten, von den Stängeln auch ein leicht holziger Ton.
Schnittstelle: Schwefelung – Hefezugabe
Normalerweise wird die Traube großteils entrappt und angequetscht – die so entstehende Maische beginnt von selbst zu gären. Hier scheiden sich aber die Geister. Wer alles unter Kontrolle haben will, kann die Maische leicht schwefeln und dann Zuchthefen zusetzen, um die Gärung in Gang zu bringen. Wer den komplexen Reichtum des Weingartens mit in den Wein hereinbringen will, wird auf Spontangärung setzen (Voraussetzung dafür ist aber freilich ein gesundes Traubenmaterial). Ein Mittelding ist die Präselektion von Hefen aus dem eigenen Weingarten, die dann der Maische beigegeben werden (sozusagen eine Hefe-Avantgarde, die den natürlichen Hefen den Weg weist, bzw. sie dominiert.
Schnittstelle: Mazeration
Nun gärt der Most also – dieser alchymische Prozess ist eine Phase höchster Lebendigkeit, die Hefen vermehren sich und “arbeiten” (sie leben einfach: ernähren sich vom Zucker und scheiden Alkohol aus). Die Zuckermenge im Most setzt der Gärung eine Grenze – wenn aller Zucker vergoren ist, sagt man, der Most ist durchgegoren. Balanciert wird die Gärphase aber auch vom Ausscheidungsprodukt Alkohol und der Temperatur. Wenn der Alkohol etwa 15 Prozent erreicht, sterben die Hefen an diesem Gift, die Gärung hört auf – wenn die Temperatur abgesenkt wird, kommt die Gärung zur Ruhe. Durch die Temperaturführung während der Gärung wird auch die Aromenbildung beeinflusst.
Die alkoholische Gärung kann in 4-5 Tagen abgeschlossen sein, bei niedrigen Tempaeraturen aber auch einige Wochen dauern. Solange die Schalen mit im Most bleiben, wird Farbstoff und Tannin an den Most abgegeben. Dieser Prozess heißt Mazeration. Kurze Mazeration (bis zu einer Woche) ergibt eher fruchtige Weine, lange Mazeration gerbsäurstarke Weine, die eine langsame Entwicklung haben und ihre Trinkreife oft erst nach einigen Jahren erreichen. Eine Mazeration, die länger als vier Wochen dauert, ist eher selten, auch verlieren die so gewonnen Weine meist an Finesse.
Die Schalen schwimmen nach einiger Zeit oben im Gärbehälter – sie bilden einen “Hut”, der immer wieder untergetaucht wird, oder über den wieder Most geleitet wird, um die Mazeration zu ermöglichen. Im Roto-Tank wird durch motorische Drehung die gleichmäßige Durchmischung der Bestandteile gewährleistet.
Schnittstelle: Zuckerung der Maische oder des Mostes.
Gut österreichisch heißt es “Aufbesserung” - sprich: aus einem minderwertigen Material wird ein besseres gemacht. Oder: “der Natur ein bisserl nachhelfen” .. die Maische- bzw. Mostzuckerung ist im Wesentlichen eine Begleiterscheinung der industiellen Zuckerproduktion, vorher war Zucker einfach zu kostbar. In Frankreich war es ab 1799 Jean-Antoine Chaptal, der mit seiner “doctrine” über die Weinbereitung den Winzern den Weg wies .. und so heißt es heute auch einfach: Chaptalisation. Durch die Zuckerzugabe wird der Gärungsprozess im Most begünstigt – die Gärung verläuft intensiver, das Produkt hat letzlich mehr Alkohol. Man muss die Chaptalisation nicht verteufeln, kann aber jedenfalls feststellen, dass Mostzuckerung auch in guten Jahren eher eine bedenkliche Sache ist. In südlichen Regionen ist die Chaptalisation verboten (weite Teile Italiens, Sudfrankreich). In Österreich hat vordem ein Qualitätsbewußtsein existiert: Prädikatweine waren per Gesetz nicht aufgebessert. Aber wo findet man heute noch einen Rotwein, auf dem “Kabinett” steht (oder ein anderer Hinweis, dass nicht aufgezuckert wurde?)
Schnittstelle: biologischer Säureabbau
Nach der alkoholischen Gärung tritt bei nicht zu niedrigen Temperaturen meist spontan ein biologischer Säureabbau auf – oder er wird, wenn erwünscht, künstlich initiiert: Durch Milchsäurebakterien kommt es zur Umwandlung von Apfelsäure in Milchsäure. Auch dabei kommen weitere Aromen in den Wein und er wird milder. Beim Rotwein hat sich die malolaktische Gärung inzwischen allgemein durchgesetzt – ich habe aber auch noch österreichische Rotweine aus den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, die keinen Säureabbau gemacht haben. Sie sind erstaunlich gut erhalten, schmecken aber anders, spitzer.
Schnittstelle: Schönung, Stabilisierung, Filtration
Nach der Mazeration wird der flüssige Teil abgezogen (Seihmost, solange kein Druck auf den Rest ausgeübt wird) – der Tresterrest wird leicht abgepresst (Presswein). Industriell gemachte Weine werden einfach abgefiltert.
Der geklärte Wein kann noch weiter gereinigt werden – durch Schönungsmittel, oder einfach durch mehrfaches Umfüllen (Abziehen) in andere Fässer. Schönungsmittel, die Trubstoffe binden, sind aufgeschlagenes Eiweiß, Hausenblase oder Gelatine. Zusätzlich sollen Proteine, die später zu einer Trübung führen könnten, ausgefällt werden – der Wein wird u.a. mit Bentonit behandelt. Einfacher sind Filter: mit feinen Filtern kann Wein steril gefiltert werden. Er ist dann “sauber” – aber auch endgültig uninteressant für den Weinliebhaber.
Alle Winzer wiederholen es immer wieder: Der Wein entsteht primär im Weingarten. Wer hochwertiges Traubengut hat, wer den optimalen Reifepunkt erwischt, wenn das Wetter den richtigen Lesezeitpunkt zuläßt – dann kann im Keller Wein durch minimale Eingriffe entstehen.
- Ich kenne Winzer, die Arbeiten ohne Pumpe – nur mit der Schwerkraft.
- Ich habe Weine, die vollständig ohne Schwefelzugabe enstehen und abgefüllt werden.
- Viele meiner Weine werden gar nicht gefiltert und nicht geschönt.
Schnittstelle: neues Holzfass
Die Vergärung und der Ausbau im kleinen Holzfass (in der Gascogne und in Bordeaux traditionell Barrique genannt, in Burgund Pièce) verändert seinen Charakter stark, vor allem, wenn das Fass neu ist, denn das Eichenholz (oder gegebenenfalls Akazien- oder Kastanienholz) gibt Gerbstoffe und eine Vielzahl an Aromenstoffe an den Wein ab und fördert eine leichte Oxydation.
Wie kommt es zu den Röstnoten? Das Fass wird beim Fassbinden über ein kleines Feuer gestellt, um die Fassdauben in ihre Form zu bringen – später wird das bereits gebundene aber noch nicht verschlossene Fass noch einmal von innen “geröstet” um dem Holz die gewünschte Aromenintensität zu geben. Für Rotwein wird teilweise stark geröstetes Holz verwendet.
Ein neues Fass gibt viel Aromen ab – darum werden Weine aus gebrauchten und neuen Fässern miteinander verschnitten. Gebräuchlich ist auch, den Most für die alkoholische Gärung in Tanks zu füllen und dann erst für den weiteren Ausbau in Barriques umzuziehen.
Nicht nur die Übermittlung der Aromen von Holz und Röstung werden nach zwei bis drei Jahren deutlich weniger, auch die Odydation ist vermindert, weil die Holzporen mit Weinstein versiegelt werden – die eigentlichen Effekte des Barriques sind verloren. Das Fass kann erneuert werden, indem man die Bindung öffnet, die Dauben reinigt und nachhobelt, dann wieder bindet und noch einmal röstet.
Billiger ist die Verwendung von Eichenchips: der Wein wird im großen Stahltank ausdgebaut und zur Aromatisierung werden Eichenspäne beigegeben. Seit 2006 ist auch das in der EU erlaubt.
Schnittstelle: Zeit
Die “Maceration carbonique” (siehe oben) ist nicht zuletzt auch eine Methode, um relativ rasch einen fertigen Rotwein zu erhalten. Wo das handwerklich gemacht wird, kann das Ergebnis sich sehen lassen: ein Wein, der geradezu aus dem Glas springt vor Fruchtigkeit und lebendiger Frische. Leider kommt bei uns aber fast nur industrieller Beaujolais nouveau auf den Markt.
Qualitätsrotweine werden meistens später gefüllt als Weißweine., aber auch Weine, die im ersten Jahr nach der Lese abgefüllt werden, können sehr lange halten.
In vielen Regionen hat sich jedoch für Rotwein die Traition einer mehrjährigen Fasslagerung herausgebildet. Während dieser Lagerung fallen immer weiter feine Trubstoffe aus (der Wein klärt sich auf natürlice Weise und braucht dann nur mehr umgezogen werden) und es findet eine leichte Oxydation statt, durch die sich Aromen entwickeln.
Ein Ausbau über mehrere Jahrzehnte von Rotweinen im Fass ist nur mehr bei Portweinen üblich.